Kundenorientierung als Erfolgsrezept bei Innovationsprozessen?

von | Okt 11, 2016

Die zwei Komponenten der Innovation

Der Begriff Innovation beinhaltet immer zwei Komponenten: Die erste Komponente ist eine Neuerung eines Produktes, eines Verfahrens oder einer Dienstleistung. Manchmal besteht eine Innovation sogar nur in einer neuen Art, etwas bereits Bestehendes neu zu präsentieren, beispielsweise durch eine neue Verpackung, ein neues Design oder durch eine besondere strategische Positionierung im Marketing-Umfeld.

Eine Innovation ist in diesem Sinne also etwas Neuartiges, das es bislang so in dieser Form oder in diesem Kontext noch nicht gegeben hat. Die Grundlage einer Innovation ist zunächst einmal eine „Erfindung“, unabhängig ob die Erfindungshöhe patentierbar ist oder nicht.

Eine Innovation zeichnet sich aber auch durch eine zweite Komponente aus. Diese zweite Komponente ist der Erfolg am Markt. Erst wenn das Produkt, das Verfahren oder die Dienstleistung erfolgreich vermarktet wird, erscheint sie als echte Innovation. Somit kommt dem Kunden bzw. dem Käufer eine zentrale Bedeutung zu, indem er darüber entscheidet, ob eine Erfindung zur Innovation wird.

Eher selten entsteht die Innovation durch Nachdenken oder durch Geistesblitze der Entwicklungs- oder Forschungsabteilung. Viel häufiger entsteht sie im Dialog zwischen dem Kunden und dem Vertrieb.

Der Kunde benennt ein bislang ungelöstes Problem in seinem betrieblichen Ablauf oder er berichtet von Schwächen der am Markt verfügbaren Produkte. Ein aufmerksamer Vertriebsleiter wird sich solche Ideen notieren und prüfen, ob er vielleicht gemeinsam mit seinem Kunden zu einer Lösung kommt.

Innovation ist somit eng verbunden mit dem Begriff Entrepreneurship. Immer geht es darum, neue Geschäftsmodelle zu erkennen und diese am Markt erfolgreich umzusetzen.

Dieser Punkt stellt ein zentrales Problem bei firmen-internen Innovations-Workshops und Schulungen dar. Während die internen Stakeholder versammelt sind, fehlt fast immer die Kundensicht. Damit reduzieren sich Innovations-Workshops allzuoft auf die Betrachtung allgemeiner technologischer Trends und der Besichtigung des firmen-eigenen Know-Hows.

Weiterhin sind viele Mitarbeiter insbesondere im mittleren Konzern-Management darauf trainiert, das bestehende System zu bedienen, statt es über Bord zu werfen. Und würde einer dieser Manager es riskieren, seine bisherige Tätigkeit radikal zugunsten innovativer, kunden-orientierter Ideen auszurichten, so müsste er vielleicht sogar mit einer Abmahnung oder einer Kündigung rechnen.

Kundenbedürfnisse und Bestandssicherung?

Statt einer konsequenten Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Kundenbedürfnisse erzwingen bestehende Strukturen im Unternehmen häufig eine Mentalität der Bestandssicherung. Daher ist in vielen Konzernen die M&A-Abteilung der eigentliche Innovator, indem durch Aufkauf innovativer Start-Ups und der Übernahme von Wettbewerbern neue Ideen ins Unternehmen einfließen.

Für die Moderatoren, Trainer und Berater von Innovationsprojekten bedeutet das daher folgendes:

  • Die üblichen Kreativtechniken zur Ideenfindung sind hilfreich. Die generierten Ideen müssen aber auf jeden Fall durch Gespräche mit (potenziellen) Kunden abgesichert und aus Kundensicht geprüft werden. Idealerweise ist der Kunde zumindest punktuell in den Innovationsprozess des Unternehmens mit eingebunden.
  • Der Aufbau einer Innovationskultur im Unternehmen fördert das bewusste Nichtbeachten oder außer Kraft setzen von starren und einschränkende Regeln. Mitarbeiter, die neue Wege beschreiten, sollten unterstützt und nicht durch eine Vielzahl von Verfahrensanweisungen behindert werden.
  • Es müssen Strukturen geschaffen werden, innerhalb derer neue Erfindungen schnell am Markt umgesetzt werden können. Beispielsweise könnten Ausgründungen oder die Errichtung von innovativen Tochterfirmen aus dem eigenen Unternehmen heraus gezielt gefördert werden, sofern sie nicht innerhalb der bestehenden Organisation umsetzbar sind.
  • Die Durchsetzung einer Innovation erfordert vom Innovator ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und eine nicht unerhebliche Ausdauer. Eine Erziehung zur Innovationsfähigkeit ist daher immer auch eine Ausbildung zu Freiheit, selbständigem Denken und zur Begeisterungsfähigkeit. Vor allem aber muss die Innovation im Dienste des Kunden stattfinden. Der Innovator benötigt daher eine grundlegende Offenheit in Richtung des Kunden und der Kundenbedürfnisse. Ein innovatives Unternehmen stellt daher stets den Kunden in den Mittelpunkt des eigenen Denkens und Handelns.

Allerdings gibt es noch einen zentralen Aspekt, der speziell bei disruptiven Innovationen zum Tragen kommt. In solchen Situationen ist es mitunter sogar kontraproduktiv, den Kundenwünschen nachzukommen. Hätte Henry Ford um die Jahrhundertwende seine Kunden zum Thema Mobilität befragt, so wäre der Wunsch vermutlich „schnellere Pferde“ gewesen. Das Erkennen und Hervorbringen von völlig neuen, disruptiven Ansätzen können auch treue und engagierte Kunden in der Regel nicht leisten.